Nun schon seit Jahren dominieren immer neue Krisenbegriffe unseren Alltag und die täglichen Berichte in den Medien. Nicht einfach, sich dabei Optimismus und positive Stimmung zu bewahren. Denn mit den Krisenmeldungen haben auch Angstszenarien Konjunktur. Angst vor Überfremdung, Terror und Krieg, Angst vor Inflation und Armut, Angst vor alter wie neuer Technik, Angst vor Artensterben, Wassermangel oder klimatischen Veränderungen – so wichtig die Themen auch sind, mit Superlativen und Extremen wird nicht gegeizt. Wer mit Ängsten spielt, hofft Macht zu gewinnen! So wie sich Macht forciert, verlieren wir die Kontrolle über uns, unser Lebensumfeld und unsere Zukunft. Wenn letztlich Angst die Oberhand gewinnt, dann verkümmern gesellschaftliche Entwicklung, Problemlösungen, technischer Fortschritt und Innovation zu dem, was Angstmacher vorgeben und als politisch korrekt wie legitim einstufen. Gerade Zeiten großer Herausforderungen, Phasen umfassender technischer oder gesellschaftlicher Umbrüche erfordern jedoch
ein Höchstmaß an Offenheit in Wissenschaft und Forschung, Kreativität, Ideenreichtum und Improvisationsvermögen. Konzentrieren wir uns also auf diese Fähigkeiten und schauen wir zuversichtlich
nach vorn.
Nachdenklich stimmt mich dieser Tage, wenn mir zwar Bürger immer häufiger ihre Meinungen und Ansichten mitteilen, dies aber nicht mehr offen tun möchten. Zu groß sind inzwischen die Befürchtungen, als politische Randerscheinung eingeordnet und abgestempelt zu werden. Extreme innerhalb der Gesellschaft lassen sich aber nicht durch verbaler Ausgrenzung verhindern. Dafür kommt es aufs Zuhören und Ernst nehmen von Sorgen, Nöten, individuellen Sichtweisen und sachlicher Kritik an. Wie in der Wissenschaft ist auch der gesellschaftliche Diskurs wesentliche Voraussetzung für Erkenntnisfortschritt und gewinnbringende Lösungen. Und um aktuellen Unsicherheiten und Problemen zu begegnen, wird es wie nie zuvor auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den aufmerksamen Blick für die Situation des Anderen ankommen. Schon deshalb sollten wir den Wert einer offenen und freien Gesellschaft nicht verspielen.
Ihr Bürgermeister
Marco Rutter