Notstand im Ort?

Kontrovers diskutiert wird derzeit ein Beschlussantrag zum Klimanotstand. Gemäß diesem soll unser Ort zum Notstandsgebiet erklärt, die Folgen für das Klima bei jeglichen kommunalen Entscheidungen berücksichtig sowie jährlich zu den Erfolgen beim Klimaschutz öffentlich berichtet werden. Begründet wird der Antrag mit der globalen Klimakrise, welche den genannten Aufgaben höchste Priorität abverlangt. So martialisch der Beschlusstext auch wirkt, so unbestimmt bleibt dieser hinsichtlich der zu ergreifender Maßnahmen. Zu klaren Konzepten, damit verbundenen Einschränkungen und zusätzlichen Kosten für unsere Bürger und den Gemeindehaushalt fehlt jegliche Aussage. Wenn aber selbst Politik eigene Initiativen nicht erklären kann, dann verstärkt dies die Politikverdrossenheit. Und kaum verwunderlich, wenn Bürger dies als elitäres Diktat wahrnehmen.

Ohne Frage: Die die globalen Auswirkungen einer wachsenden Weltbevölkerung sind zu betrachten. Auch die Frage der Ernährung von bald 8 Mrd. Menschen ist in Anbetracht des Flächenverbrauchs zu stellen. Ebenso ist der Ressourcenverbrauch zu hinterfragen, wenn die Wirtschaft und damit der Wohlstand in den Entwicklungsregionen der Welt wachsen. Antworten darauf liefert aber nicht das Beschwören von Untergangsszenarien. Angst ist keine Abkürzung für das Erreichen von Zielen, denn sie ruft lediglich instinktive Abwehrreaktionen hervor. Lösungen entstehen nur im fachlich vertieften und ideologiefreien Diskurs. Und sie können nur erfolgreich sein, wenn sie als Kompromiss demokratisch legitimiert und in der Bürgerschaft akzeptiert sind. Der aktuelle Trend zur Überzeichnung und Zuspitzung erreicht genau das Gegenteil, der konstruktive Austausch und verantwortungsbewusstes Handeln werden unterbunden.

Damit aber nicht genug: Die kompromisslose und dogmatische Wortwahl, die sowohl den Antrag als auch die derzeitige öffentliche Debatte zum Klimawandel prägt, führt zur gesellschaftlichen Spaltung. Längst liefern sich Gegner und Befürworter dieses Vorgehens lautstarke Gefechte, werden in den sozialen Medien selbst Gewalt und Straftaten zum legitimen Mittel erhoben. Der Begriff des Notstandes hielt 1968 in unser Grundgesetz Einzug und sollte dem Staat die Einschränkung von Grundrechten seiner Bürger ermöglichen und so zur Herstellung der öffentlichen Ordnung beitragen. Denn was damals als Protest der Jugend gegen den Lebensstil ihrer Eltern begann, dass entglitt zu brutalen Straßenschlachten einer radikalisierten Bewegung. Die Eskalation führte auch zur Gründung der Roten Armee Fraktion und setzte damit eine blutige und bis heute für die Bundesrepublik unvergleichliche Terrorwelle in Gang. Diesen Begriff trotz oder gerade wegen dieser historischen Bezüge zu verwenden macht fassungslos.

Für den Umweltschutz, mehr Energieeffizienz und nachhaltiges Wirtschaften braucht es zudem keine provozierenden Anträge. Nahezu alles, was es bei uns auf kommunaler Ebene zu entscheiden gilt, beruht auf Bundes- und Landesgesetzen. Oft sehr detailliert verfasst, mit Verordnungen oder Richtlinien unterfüttert und von hohen Kontrollaufwänden geprägt, verzeichnet gerade die Umsetzung der Klimaschutzabkommen eine Welle an Regulierungen. Deren Umsetzung ist fachlich anspruchsvoll, aber jegliche Vorgaben zur Erreichung von Umwelt- und Klimaschutzzielen berücksichtigen wir ohnehin. Mehr Realismus und Vernunft wären daher in der Sache angebracht.

Ihr Bürgermeister
Marco Rutter

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